Fotografie Fährmannhaus, Liegenschaftsamt, Stadt München
Fotografie Fährmannhaus, Liegenschaftsamt, Stadt München

Fährmannhaus (ehemaliges)

Pienzenauerstraße 201 (jetzt Rümelinstraße 1)

Bogenhausen

“Schön ist es hier bei blauem Himmel, wenn der Fährkahn mit einem Wimpel geschmückt ist, dem Wetter zu Ehren oder sonst aus einem festlichen Anlaß. … aber der Fährkahn hängt an einem Drahtseil, welches seinerseits mit einem anderen, noch dickeren, quer über den Fluß gespannten Drahtseil verbunden ist, so nämlich, daß er mit einer Rolle daran entlang läuft. Die Strömung selbst muß die Fähre treiben … Der Fährmann wohnt mit Weib und Kind in dem Fährhause, das von dem oberen Fußweg ein wenig zurückliegt, mit Nutzgärtchen und Hühnerstall. Es ist eine Art von Villa in zwerghaften Ausmaßen, launisch und leicht gebaut mit Erkerchen und Söllerchen. … Ich sitze gerne auf der Bank vor dem Gärtchen, gleich an dem oberen Fußwege, Bauschan sitz auf meinem Fuß, die Hühner des Fährmanns umwandeln mich. … Schrill klingelt es in der Villa des Fährmanns: das ist das ‚Hohlüber‘; auch so und immer noch ist es poetisch.” So beschreibt Thomas Mann in seiner Erzählung „Herr und Hund“ (1919) liebevoll das Fährmannhaus im Grüntal an der Isar in Oberföhring, das er gerne bei seinen ausgedehnten Spaziergängen besuchte.

Das Fährmannhaus in Oberföhring ist eigentlich ein Dienstgebäude, auch wenn es als kleine Villa mit Erker und Söller errichtet wurde. Entworfen hat es 1903 der damals begehrte Münchner Jugendstilarchitekt und damalige Direktor der Terraingesellschaft Herzogpark-Gern, Martin Dülfer, im Auftrag der Gemeinde Oberföhring. Ein Jahr später wurde das Haus in der damaligen Pienzenauerstraße 201, etwa auf Höhe des heutigen Oberföhringer Stauwehrs, als Dienstwohnung für den Fährmann Andreas Blumenthaler errichtet. Er setzte mit seiner Drahtseilfähre bis 1920 seine Fahrgäste hinüber ans Hirschauer Ufer.

Funktionsgerecht war die „Dienst-Villa“ zur Isar hin ausgerichtet; die geschützte Eckbank an der Nordseite ermöglichte einen ständigen Blick auf den Fluss und war in der wärmeren Jahreszeit sicher der bevorzugte Aufenthaltsort des Fährmanns während der Wartezeit auf neue Fahrgäste. Im Erdgeschoss befand sich ein kleines Zimmer (vermutlich für Dienstzwecke) und ein großes „Kochzimmer“, also eine Wohnküche. Im Obergeschoss gab es zwei weitere Zimmer, davon eines mit gleich zwei Balkonen bzw. überdachten Loggien.

Mit dem Baubeginn des Stauwehrs wurde der Fährbetrieb eingestellt und trotz aller literarischer Ehren die der Minitaurvilla durch Thomas Mann verschafft wurde, hat man das malerische Häuschen in den 1960er Jahren abgerissen. Der Platz blieb unbebaut.

Text: Karin Bernst, in: „Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten“, Kalender 2001

Literatur: Dieter Klein: Martin Dülfer. Wegbereiter der Deutschen Jugendstilarchitektur, Arbeitshilfe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Arbeitsheft 8, 1993.

 

Nach oben scrollen