Versicherungskammer in der Holbeinstraße; Historische Ansichtskarte um 1907, © privat
Versicherungskammer in der Holbeinstraße; Historische Ansichtskarte um 1907, © privat

Landesversicherungs­anstalt von Oberbayern (ehemals)

Holbeinstraße 9–11

Bogenhausen

Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck reformierte 1881 das soziale System im Deutschen Reich grundlegend. Waren bis zu diesem Zeitpunkt alte, kranke und invalide Menschen auf die Städtische Armenpflege oder gar auf die Mildtätigkeit privater Wohltäter angewiesen, so wurde ihre Versorgung jetzt in die Hände der Arbeitgeber und der Versicherten übergeben. Die neu gegründeten Versicherungsanstalten gewährten eine Altersrente nach 30 Betriebsjahren, eine Invalidenrente nach fünf Beitragsjahren, sowie Heilverfahren. Die Beiträge trugen je zur Hälfte Arbeitnehmer- und -geber.

Am 1. Januar 1891 übernahm die erste »Versicherungsanstalt für Oberbayern« ihre Arbeit auf. Von da an wuchs die Zahl der Versicherten in Bayern rasant und damit auch die Verwaltungsaufgaben der Versicherungsanstalt. So wurde 1902 beschlossen, an Stelle der bisherigen Räume in der Regierung von Oberbayern (Maximilianstraße) ein ausreichend großes Grundstück zu erwerben und es nach den entsprechenden Bedürfnissen zu bebauen. Bereits 1903 wurde ein geeignetes, 13 628 Quadratmeter großes, Grundstück in Bogenhausen (Holbeinstraße) gefunden und zum Preis von 40 Mark pro Quadratmeter von der Heilmann’schen Immobiliengesellschaft erworben. Den Auftrag sowohl für Entwurf als auch Ausführung des neune Dienstgebäudes erhielt das Baugeschäft Heilmann & Littmann.

Die Versicherungsanstalt konnte ihre neue »Geschäftslokalität« im Juni 1906 beziehen. Aus den zunächst geschätzten Baukosten von ursprünglich 865000 Mark wurden schließlich stattliche 1 362 250 Mark, plus 21 000 Mark für die Innenausstattung und etwas über 51 000 Mark für die Einrichtung einer »Quittungskarten-Registratur«. Auf 8686 Quadratmetern Gesamtfläche befanden sich 101 Büros, mit genügend Platz für die beständig zunehmende Anzahl des Verwaltungspersonals.
Das im neubarocken Stil erbaute Gebäude mit seinem markanten Portal fand weit über die Grenzen Münchens hinaus Anerkennung, besonders weil alle Diensträume durch ihre Anordnung und den Innenanstrich licht und hell waren, aber auch die für das Personal eingebauten Wannen- und Brausebäder sowie eine große Frühstückshalle waren für die damalige Zeit spektakulär. Die Skulpturen am Hauptportal schuf der Bildhauer Julius Seidler, der eng mit Heilmann & Littmann zusammenarbeitete und auch den Fassadenschmuck am Warenhaus Tietz sowie am Gebäude der »Münchner Neuesten Nachrichten« (Sendlinger Straße) geschaffen hatte. Das Gemälde im Treppenhaus stammte von Beppo Steinmetz.
Das Gebäude überstand die Bomben des Zweiten Weltkriegs unbeschadet und 1952 wurde ein Neubau in Stahlbeton-Skelettbauweise ausgeführt (Baufirmen: Heilmann & Littmann, Bauhütte München Südbayern und Brannekämper). Die Schwierigkeit lag darin, den Altbau aus dem Jahr 1904 mit dem neuen Gebäude zusammenzuführen, da beide Bauanlagen unter einem fortlaufenden Hauptgesims und einem Dach zusammengefasst werden mussten. Die Nutzfläche wurde mit dem Neubau um nochmals 6340 Quadratmeter erhöht, dennoch reichte die Raumkapazität schon bald nicht mehr aus und in den 1970er-Jahren übersiedelte die Landesversicherungsanstalt endgültig von Bogenhausen nach Neuperlach, in ein neues Verwaltungsgebäude in der Thomas-Dehler-Straße 3. Der Gebäudekomplex gehört der „Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd“, Sitz in München, Nachfolgerin der ehemaligen Landesversicherungsanstalt Oberbayern.

Textquelle: Dorle Gribl, 100 Jahre Rentenversicherung in der Holbeinstraße, hrsg. von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern.

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