Musterbauten "Neue Südstadt"
Musterbauten "Neue Südstadt"

Musterbauten „Neue Südstadt“

Prinzregentenstraße 99 - 111

Bogenhausen

Bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten herrschte in München akute Wohnungsnot. Durch Abrissaktionen für neue Monumentalbauten wurde die Not noch gesteigert. Zur Behebung des Wohnraummangels wurden im „Dritten Reich“ mehrere neue Stadtteile geplant (Die Baumaßnahmen liefen unter dem Motto „München. Hauptstadt der Bewegung“.) Das größte Projekt stellte dabei die „Neue Südstadt“ dar, Leiter des Projekts (1939 bis 1943) war Wilhelm Sommerer.
Die geplanten 14.500 Wohneinheiten sollten in sechs neuen Stadtteilen („Wallgau“, „Inn“, „Chiemgau“, „Salzach“, „Alpenland“, „Hochland“), entlang einer schnurgeraden Straßenachse errichtet werden, die von einem zu errichtenden Gauzentrum am Gasteig bis zum Autobahnanschluss nach Salzburg (in der Nähe des Fasanengartens) reichen sollte. Die Häuser und selbst ihre Einrichtung waren genormt, Hochbunker, die in die Wohnblöcke integriert waren, sollten vor Luftangriffen schützen.
Mit dem Bau der Südstadt wurde nicht begonnen. Lediglich einige Ensembles wurden 1942–1944 an der Prinzregentenstraße in Bogenhausen zwischen Wilhelm-Tell- und Brucknerstraße als Musterbauten für die „Neue Südstadt“ errichtet. Nach Kriegsende trat der „Wiederaufbau“ in den Vordergrund, anstelle von Wohnhäusern errichtete man nur noch Behelfsheime.

 

Die Musterbauten in der Prinzregentenstraße geben eine ungefähre Vorstellung von der Bebauung der geplanten „Neuen Südstadt“. Der Entwurf stammt von Fritz Norkauer, Herbert Landauer und Walter Kratz. Die ca. 165 Meter lange Straßenfront zeigt mit dem erhöhten Erdgeschoss, den drei durch Sohlbänder ausgezeichneten Obergeschossen und dem schmucklosen vierten Obergeschoss die Fassadenstruktur der Südstadt-Häuser. Die Geschosshöhe beträgt 3,10 Meter bis 3,23 Meter. Nach den Planungen entstanden insgesamt 164 Wohnungen. Davon errichtete die Bayerische Versicherungskammer auf ihrem Gelände 78 Wohneinheiten. 86 Wohneinheiten, die Musterbauten, wurden auf Kosten des „Zweckverbandes Südstadt“ gebaut. Die Gesamtkosten, veranschlagt mit ca. 1,7 Millionen Reichsmark, finanzierte man vorerst aus dem Sonderhaushalt „Ersatzwohnungsbau“.

Bei den Häusern in der Prinzregentenstraße erprobte man erstmals die Verbindung von Luftschutzhochbunkern mit Wohnbauten. Das Ideal war der Luftschutzraum für jede Wohnung, der in Friedenszeiten als Speisekammer genutzt werden konnte. An den drei Enden der Wohnblöcke ist heute noch ein quadratischer Eckhausbunker mit einem Fassungsvermögen von 200 bis 250 Personen zu sehen. An der Ecke Bruckner- / Zaubzerstraße befindet sich der dritte Hochbunker. Der Schutzraum konnte konnte jeweils von einer Wohnung aus über einen abgewinkelten Splitterschutz und eine Gasschleuse betreten werden. Im Untergeschoss befanden sich Aborte, ein Waschraum und ein Gemeinschaftsraum. Eine Wendeltreppe verbindet die einzelnen Geschosse des Turmes miteinander. Rund 40 Hochbunker wurden ab 1941 im ganzen Stadtgebiet errichtet. Sie suggerierten den Münchnern eine Sicherheit und „Bunkergeborgenheit“, die es in der Realität niemals gegeben hat. Was man erreichte, war eine ständige Kriegsbereitschaft, die durch die sichtbar herausgestellte Bunkerarchitektur unterstrichen wurde. Die geplante Südstadt, die aus einer endlosen Abfolge dieser bunkergeschützten Wohnblöcke bestanden hätte, wurde nie ausgeführt.

1992 hat man die Hochbunker „entwidmet“. Im Bunker an der Ecke Prinzregentenstraße / Wilhelm-Tell-Straße befindet sich zum Beispiel heute die Galerie Kunstbunker Tumulka.

Textquelle: Karin Bernst, „Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten“, Kalender 2007

 

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