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Oberföhring





Wie viele Stadtteile Münchens blickt Oberföhring auf eine weit längere Geschichte zurück als die Kernstadt selbst. 1913 wird das Zieglerdorf an der Isarhangkante im Münchner Nordosten in die königliche Haupt- und Residenzstadt eingemeindet. Während das Schwesterdorf Unterföhring selbstständig bleibt und in den vergangenen Jahrzehnten ein rasanten Aufschwung zu einem der bedeutendsten Medienstandorten Deutschlands erfährt, entwickelt sich Oberföhring innerhalb des Münchner Burgfriedens zu einem beliebten Wohnviertel. Die Probleme, die sich mit der Bebauung des Herzogparks (ursprünglich bis zum Isarring zu Oberföhring gehörend) ergeben, beschleunigen die Eingemeindung. St. Emmeram und das Grüntal sind Ortsteile Oberföhrings.
Große Veränderungen stellt man erst fest, vergleicht man die Postkartenserie, die der letzte Bürgermeister Oberföhrings, Fritz Meyer, kurz vor der Eingemeindung (1913) fotografieren ließ, mit dem heutigen Ortsbild. Viele alte Häuser sind verschwunden und durch moderne Bauten ersetzt worden, abgesehen vom Dorfkern um die St. Lorenzkirche. Er hat sich seine „ländliche Idylle“ rund um die Muspillistraße erhalten können. Über zehn Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Hier befinden sich unter anderem das stattliche Pfarrhaus aus dem 19. Jahrhundert, das ehemalige Schulgebäude (jetzt Begegnungsstätte) sowie das „Bernheimer Schlösschen“.
Der große Komplex des ehemaligen städtischen Krankenhauses Oberföhring beherbergt heute in einem Parkgelände den Bürgerpark Oberföhring. Die Anlage zwischen der Oberföhringer Straße und der Effnerstraße wurde 1940 als Luftwaffenlazarett gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Oberföhring entlang der Oberföhringer Straße mit dem Priel zusammengewachsen, die Grenze markiert ein altes Zollhäuschen. Leider wurde dabei die Steiluferkante nicht von Wohnbebauung verschont. In der Oberföhringer Straße befindet sich auch die Sammlung Goetz, ein Museum für zeitgenössische Kunst, das seit 1993 in einem eigenen Ausstellungsgebäude untergebracht ist, entworfen vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron.
1958 baute München zur 800-Jahr-Feier an der Oberföhringer Straße 224 eine neue Grundschule. In den 60er und 70er Jahren breitete sich Oberföhring nach Osten aus. 1963 zogen Bewohner in die neuen Wohnblöcke an der Bernheimer- und Franz-Wolter-Straße ein. Ende der 60er entstanden jenseits der Effnerstraße beiderseits der Cosimastraße Siedlungen, in denen eine Straße nach Bürgermeister Fritz Meyer benannt wurde. Die Häuser östlich der Cosimastraße liegen auf ursprünglich Johanneskirchner Gebiet. Das 1974 entstandene pyramidenförmige Pharaohaus ist Oberföhrings markantestes Gebäude.
Das moderne Kirchenzentrum St. Thomas (seit 1973 Stadtpfarrkirche) erhielt 1980 am Fritz-Meyer-Weg mit der Vaterunserkirche einen ökumenischen Partner. 1972 konnte am Ostrand von Oberföhring die Grundschule an der Regina-Ullmann-Straße bezogen werden. Seit 1984 war in diesem Schulhaus auch die aus Schwabing stammende Helen-Keller-Realschule untergebracht, die nunmehr gegenüber an der Fürkhofstraße über eigene Gebäude verfügt. Seit Ende der 80er Jahre ist auch die große Wiese zwischen Johanneskirchner Straße und Prinz-Eugen-Kaserne bebaut. Gegenwärtig werden die letzten Freiflächen Oberföhrings geschlossen. Die Siedlung am Hochstiftsweg (östlich der Cosimastraße) bedrängt die Reste der Ziegelei Haid. Die Tage der ehemaligen Ziegelei Deck südlich der Johanneskirchner Straße sind auch gezählt. Beide Anlagen werden demnächst einer Wohnbebauung weichen müssen. Ab 2009 wird sich die Bundeswehr von der Prinz-Eugen-Kaserne verabschieden, um Platz für neue Wohnungen zu machen.
Zur Historie Oberföhrings
In einer Urkunde vom 3. Juli 750 wird erstmals erwähnt: „(…) quidquid ad Feringas pertinebat“. Das Wort „Feringas“ lässt dabei mehrere Übersetzungs- und Deutungsmöglichkeiten zu: „bei den Leuten des Fara oder Feri“ (dann würde sich der Name aus der Sippe der „Feringa“ ableiten). Es kann aber auch der Hinweis auf einen Geländepunkt, nämlich eine Stelle zur Überfahrt („bei den Fähren“) gegeben sein. Weitere Deutungsmöglichkeiten: „bei den Fergen“, in Ableitung des Berufs des Fährmanns oder „bei den Föhren“ (Bäumen).

Im Traditionsbuch des oberösterreichischen Klosters Mondsee (siehe Abbildung) ist in einer Urkunde Herzog Tassilos III. aus dem Jahr 783 dann mit Nennung des Hofs „Faringa“ erstmals eindeutig ein Ort aufgeführt, der Föhring heißt. 903 schenkt König Ludwig das Kind dem Freisinger Bischof Waldo einen Meierhof als Brandsteuer wegen der in Freising abgebrannten Domkirche. 940 wird Föhring als „curtis regia“, als Königshof, bestätigt.
In der Folge nimmt Föhring einen rasanten Aufschwung, denn die Freisinger Bischöfe nutzen ihre geschenkte Föhringer Grundherrschaft und errichten eine Salzniederlage, eine Münzstätte, eine Brücke über die Isar und ein Zollhaus und belegen die auf der Salzstraße von Reichenhall in Richtung Augsburg und Oberschwaben ziehenden Fuhrwerke mit Zoll. 1157 kommt es deswegen zum Konflikt zwischen Bischof Otto von Freising und dem Welfenherzog Heinrich dem Löwen, Markt und Brücke von Föhring werden zerstört (Gründung Münchens 1158). Mit der Umleitung der Salztransporte auf die neue Münchner Isarbrücke blüht München auf. 1180 werden erstmals Ober- und Unterföhring getrennt genannt. Oberföhring verliert nach der Umleitung der Salzstraße infolge ausbleibender Einnahmen stark an Bedeutung und bleibt fortan ein kleines unbedeutendes Bauerndorf am Südrand des Hochstifts Freising.



Im Jahr 1305 zählt man zum bischöflichen „Amt Föhring“ die Dörfer Ober- und Unterföhring, Ismaning, Englschalking, Daglfing, Freimann, Bogenhausen, Trudering, Hohenbrunn, Unterhaching und Besitzungen am Starnberger See. Hierbei handelt es sich um einzelne Bauernhöfe, die den Bischof von Freising als Grundherren hatten. Im September 1319 gewährt Kaiser Ludwig der Bayer dem Freisinger Bischof Konrad III. gegen eine Geldentschädigung von 100 Mark Silbers die ersehnte Grafen- und Landgerichtsbarkeit, d.h. seine Grafschaft hatte nun die Blutgerichtsbarkeit. 1349 wird ein „purkstall“ urkundlich erwähnt, dessen Standort auf dem Gebiet des ehemaligen Pernerhofes, An der Schanze 1 in Oberföhring vermutet wird und der wahrscheinlich aus der Zeit um 1000 stammt, als die Freisinger Bischöfe noch einen blühenden Markt zu verteidigen hatten.

Vorderseite: herzogliches Wappen; Rückseite: Wappen Hochstift Freising © dietlind pedarnig, 2008
Während der Französischen Revolution 1789 verfügte Kurfürst Karl Theodor, dass in München Bücher und Zeitungen zensiert wurden. Vor allem die „Oberdeutsche Zeitung“, die ihre freiheitlichen Ansichten über die Obrigkeit, den Adel und die Kirche verbreitete, war ihm ein Dorn im Auge. Der Freisinger Fürstbischof hingegen ließ die Journalisten gewähren. Dies nutzten zahlreiche Münchner und lasen in Föhring ungestraft die verbotenen und daher um so interessanteren Schriften. Muße dazu hatten sie in diesen Stadtteilen allemal, zumal man außerdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts die wunderbare Aussicht von Oberföhring in Richtung München mit der Alpenkette im Hintergrund zu entdecken begann. Den berühmten „Föhringer Blick“ haben viele Landschaftsmaler der Münchner Schule von Kobell bis Dillis festgehalten.

Zu Beginn der Biedermeierzeit zeigt sich Oberföhring als bäuerlich verschlafener Stadtteil. An der lang hingezogenen Hauptstraße (Oberföhringer Straße) liegen malerisch-lauschige Gaststätten, wie die traditionsreiche Schlosswirtschaft, neben kleinen Bauern- und Tagelöhnerhäuschen mit moosbewachsen Strohdächern, reichen Blumengärten und bis zum Dachfirst von Efeu umrankten Fassaden. Im nahegelegenen St. Emmeram, unterhalb der Isarkante, gehen die Münchner gerne im Grünen spazieren, lädt doch auch hier eine alte Mühle mit schattigem Biergarten zum Verweilen ein. Doch die Idylle hatte auch ihre anderen, weniger romantischen Seiten, denn nur wenige Bauern konnten ihre Familien mit den landwirtschaftlichen Erträgen ernähren, viele Kleinbauern mussten zusätzlich als Handwerker oder Taglöhner dazuverdienen – ein hartes Leben für viele. Nicht zu reden vom Leben der Dienstboten, das ein Chronist der Zeit wie folgt knapp beschreibt: „gegeißelt durch Vorträge, Lohnentzug, Fortjagen!“

Mit der Säkularisation 1803 wird Oberföhring bayerisch und zusammen mit dem Ortsteil St. Emmeram bildet es ab 1818 eine eigenständige politische Gemeinde. Am 1. Juli 1913 wird Oberföhring von der Königlichen Haupt- und Residenzstadt München einverleibt und zur Stadtgemeinde – es hat somit eine längere Tradition als München.



Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebt Oberföhring auch seine große „Blütezeit“ mit dem rasanten Anstieg der Ziegeleibetriebe auf seinem Gebiet, mehrheitlich entlang der Oberföhringer Straße gelegen. Um 1900 sind es stattliche 17 Stück – so viele wie keine andere Gemeinde im Münchner Bezirksamt I aufweisen kann! Heute sieht man lediglich die Reste von zwei dieser Ziegeleien. Auch sie werden wohl bald den bereits geplanten Bebauungen weichen müssen.

Noch heute hält Oberföhring mit seinen Siedlungen Abstand zu den anderen Ortsteilen, aber an der Cosimastraße wächst heute unaufhörlich der mittelalterliche Brückenort mit der Stadt Heinrich des Löwen zusammen.

Sankt Emmeram

Knapp 1 km nördlich von Oberföhring erinnerte noch bis 1820 eine kleine Kirche an einen bischöflichen Glaubensboten des späten 7. Jahrhunderts, der dem ganzen Ortsteil in Oberföhring seinen Namen gibt: Sankt Emmeram von Regensburg. An der Stelle, wo der Leichnam des Heiligen an der Isar eingeschifft wurde, um in Regensburg, der Stätte seines Wirkens, begraben zu werden, wurde bald danach (um 884) die Kapelle St. Emmeram zu seinem Gedächtnis errichtet. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs entstand 1663 an dem beliebten Wallfahrtsort eine Klause samt Noviziat und Schule – die „Wiege“ des Schulwesens im Münchner Nordosten und eine der ersten Lehrerbildungsstätten Bayerns überhaupt. Erst 1820 wird das Emmeramer Wallfahrts- und Schuleremitorium als Folge der Säkularisation abgerissen.
So ist zwar der Ortsteil von Oberföhring topographisch gesehen eher als klein zu bezeichnen (er umfasst nur zwei bebaute Straßen, St. Emmeram und Spervogelstraße), aus historischer Sicht kommt ihm aber große Bedeutung zu, nicht zu letzt deshalb, weil hier wohl in der Nähe die legendäre Brücke Heinrich des Löwen stand. (Andere Quellen weisen ihr als Standort das Grüntal zu.)

Im Jahr 903 verschenkte der letzte karolingische König Ludwig das Kind (899 – 911) den königlichen Meierhof „Chüntal“ an Bischof Waldo von Freising als Beitrag zum Wiederaufbau des abgebrannten Freisinger Domes. Wo genau dieses Gut gelegen hat ist nicht sicher belegt und daher in der Forschung umstritten. In jedem Fall lautete der Flurname dieses Gebietes dementsprechend auch „Küntal“ (= Königsthal), in späteren Katastereinträgen dann „im Dal“, oder „Königliche Au“ und es darf angenommen werden, dass das Gut sich in der Nähe des heutigen St. Emmeram befand. In einer Urkunde vom 29. Mai 940 wird (zum ersten Mal) von der „curtis Regia Veringa“, dem „Königlichen Hof Föhring“, gesprochen.

An den Heiligen Bischof Emmeram erinnern noch heute hier im Stadtteil die 1866 zu seinen Ehren errichtete St. Emmeram-Gedächtniskapelle, ein Seitenaltar in der Pfarrkirche St. Lorenz (mit einem Altarteil aus der abgerissenen Filialkirche St. Emmeram) sowie die St.-Emmeram-Brücke mit der St. Emmeramsstatue.
1711 errichtet der Bruckmüller Veith Reitter die „Neue Mühle St. Emmeram“ auf Oberföhringer Gemeindegrund. 1820 erwirbt sie der Kaufmann Samuel Oberndorfer, der darin eine Pappdeckelfabrik einrichtet. Der Müller Franz Sterzer kauft 1866 das Anwesen und betreibt dort ab 1873 als Nebenverdienst zur Mühle eine kleine Bierwirtschaft und Lohnkutscherei. 1903 wurde die Mühle ganz zu einer Wirtschaft umgebaut und 1929 von der Spatenbrauerei übernommen. Heute ist die Gastwirtschaft „St. Emmeramsmühle“ mit ihrem Biergarten ein beliebtes Ausflugslokal der Münchner.

1913 wird der Ortsteil St. Emmeram zusammen mit dem ehemaligen Ort Oberföhring nach München eingemeindet.

Quelle: Fritz Lutz, „St. Emmeram bei München-Oberföhring, ein ehemaliges Wallfahrts- und Schuleremitorium“, Selbstverlag 1992.
Grüntal

Wo heute unten am Isarhochufer östlich des Herzogparks ein Bächlein durch die Grünanlage plätschert, herrschte bis vor zweihundert Jahren die Isar. Der ungebändigte Gebirgsfluss floss teilweise mehrarmig, die Wasser durch breite Kiesbänke getrennt und von Auwäldern umsäumt, nach Norden. Die Isar grub sich ihr Bett jährlich neu, mächtige Geröllgeschiebe aus den Bergen zurücklassend. Die Gemeinden versuchten durch hölzerne Schutzbauten „Wuhren“, die Ufer zu schützen. Ab 1806 schüttete man im Bereich des Lehels einen kerzengeraden Damm auf, der die Isar auf sieben Kilometer von der Prinzregentenbrücke bis Unterföhring in ein enges Bett zwang. Diese Isarregulierung führte zur Eintiefung des Flusses unterhalb der grundwasserführenden Schicht und seitdem tritt Grundwasser zwischen Bogenhausen und Oberföhring an die Oberfläche und speist den Brunnbach. Erst nach dieser Maßnahme war eine Nutzung des Gebietes als Bauland möglich.

Im Grüntal betrieben die Oberföhringer vor hundert Jahren mit der Kraft des Brunnbachwassers zahlreiche Mühlen. Die südlichste war die Prielmühle (Höhe Bürgerstraße), die Straßmühle (später Stegmühle) war die nördlichste und dazwischen lief die Bruckmühle (Pruggmühle). Zwischen diesen beiden Mühlen soll auch die zu einigem Ruhm gekommene mittelalterliche Isarbrücke im Besitz des Freisinger Bischofs Otto I. zu suchen sein, deren Zerstörung durch Herzog Heinrich den Löwen 1158 schließlich zur Gründung Münchens führte. (Da es keine Bodenfunde gibt, ist aber auch St. Emmeram als Standort der alten Salzbrücke möglich.) Auf der Fläche nahe der Bruckmühle, der Tuchbleiche, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts Wohnhäuser. 1894 baute die Familie Bogner hier ein Wohnhaus mit Stallung und Hofraum, in dem heute das Restaurant „Wirtshaus im Grüntal“ seine Gäste bewirtet.

In der Pienzenauerstraße 201, etwa an der Stelle des heutigen Oberföhringer Stauwehrs, hinter dem der Isarkanal von der Isar abzweigt, erbaute 1904 die Gemeinde Oberföhring ein Fährmannhaus für die Fährmannsfamilie Blumenthaler. Andreas Blumenthaler setzte mit seiner Rollfähre bis 1920 seine Fahrgäste hinüber ans Hirschauer Ufer. Erst anschließend, mit dem Baubeginn des Wehrs in den folgenden Jahren, wurde der Betrieb eingestellt.
